ROCE

Der Return on Capital Employed (ROCE) misst die Rentabilität des eingesetzten Kapitals. Er zeigt an, wie effizient ein Unternehmen mit dem Geld arbeitet, das ihm von Eigen- und Fremdkapitalgebern zur Verfügung gestellt wurde. Er gilt als zentraler Indikator für die Qualität des Managements und langfristige Wettbewerbsvorteile ("Moat").

6 Minuten

Patrick Müller

Als Full Stack Marketer mit 10+ Jahren Startup-Erfahrung weiß ich, wie Unternehmen skalieren und woran sie scheitern. Dieses Wissen nutze ich doppelt: Um solide Geschäftsmodelle für den Business-Aufbau zu entwickeln und um an der Börse die echte Substanz für den Vermögensaufbau zu erkennen. Hier teile ich meine Strategien für beide Welten: Rational, datenbasiert und ohne Hype.

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ROCE: Das Wichtigste auf einen Blick

Der Ehrlichkeit-Test: Der ROCE (Return on Capital Employed) gilt als der härteste Indikator für Management-Qualität. Er zeigt, wie effizient ein Unternehmen jeden investierten Euro nutzt – unabhängig von Steuertricks oder Finanzierungsart.
Die Formel: Er berechnet sich aus EBIT ÷ (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital – Cash). Er misst also die Rendite auf das tatsächlich arbeitende Geld.
Die Benchmark: Als Faustregel gilt: Werte über 15 % sind gut, über 20 % exzellent. Ein ROCE unter 10 % ist oft kritisch, da er kaum die Kapitalkosten deckt.
Wettbewerbsvorteil: Ein konstant hoher ROCE deutet auf einen starken „Burggraben“ (Moat) hin. Solche Unternehmen können aus eigenem Cashflow wachsen (Zinseszinseffekt).
Der Kontext entscheidet: Vergleiche den ROCE immer mit den Kapitalkosten (WACC) und der jeweiligen Branche. Software-Firmen haben naturgemäß höhere Werte als die Schwerindustrie.

Was ist ROCE (Return on Capital Employed)?

Der Return on Capital Employed (ROCE) ist eine finanzielle Kennzahl, die angibt, wie viel Gewinn ein Unternehmen für jeden Euro des investierten Kapitals erwirtschaftet. Er setzt das operative Ergebnis (EBIT) ins Verhältnis zum operativ gebundenen Kapital (Capital Employed). Im Kern beantwortet der ROCE die Frage: „Wie gut ist das Management darin, Geld zu vermehren?“

Der ROCE ist für mich die „Königsdisziplin“ der Effizienzkennzahlen. Während der Umsatz oder der reine Gewinn oft durch Buchhaltungstricks oder einmalige Effekte verzerrt sein können, ist der ROCE schwerer zu manipulieren. Er zeigt dir die nackte Wahrheit über die operative Stärke eines Geschäftsmodells. Ein hoher Gewinn bringt dir als Investor oder Unternehmer wenig, wenn dafür unverhältnismäßig viel Kapital (Maschinen, Lagerhallen, teures Inventar) gebunden werden muss.

Die Komponenten: EBIT und Capital Employed

Um den ROCE wirklich zu verstehen, müssen wir kurz unter die Haube schauen. Er besteht aus zwei Teilen, die gegeneinander arbeiten:

  1. EBIT (Earnings Before Interest and Taxes): Das ist der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern. Wir nehmen diesen Wert statt des Nettogewinns, weil wir wissen wollen, wie profitabel das operative Geschäft ist, unabhängig davon, wie das Unternehmen finanziert ist (Verschuldung) oder in welchem Steuerland es sitzt.
  2. Capital Employed (Eingesetztes Kapital): Das ist das Geld, das im Unternehmen „arbeitet“. Es umfasst das Anlagevermögen (Maschinen, Software) plus das Nettoumlaufvermögen (Vorräte, Forderungen abzüglich kurzfristiger Verbindlichkeiten). Einfach gesagt: Alles Geld, das nötig ist, um den Laden am Laufen zu halten.

Warum ist der ROCE so wichtig für Investoren?

Ein konstant hoher ROCE ist einer der stärksten Indikatoren für ein Unternehmen mit einem dauerhaften Wettbewerbsvorteil, einem sogenannten „Burggraben“ (Moat). Er signalisiert, dass das Unternehmen Preissetzungsmacht hat oder effizienter produziert als die Konkurrenz. Langfristig folgen die Aktienkurse fast immer der Entwicklung des ROCE.

Wenn du Unternehmen analysierst, solltest du den ROCE als Qualitätsfilter nutzen. Viele Unternehmen wachsen zwar schnell (Umsatz steigt), verbrennen dabei aber Unmengen an Geld für neue Fabriken oder Lagerbestände. Ihr ROCE sinkt oft, während der Umsatz steigt – ein Warnsignal für „teures Wachstum“. Ein Unternehmen mit hohem ROCE kann hingegen aus dem eigenen Cashflow wachsen, ohne ständig neue Schulden aufzunehmen oder Aktien zu verwässern.

Der Zinseszinseffekt im Unternehmen

Stell dir vor, Unternehmen A und Unternehmen B reinvestieren beide ihren gesamten Gewinn.

  • Unternehmen A hat einen ROCE von 10 %.
  • Unternehmen B hat einen ROCE von 25 %.

Unternehmen B ist eine Zinseszins-Maschine. Es kann jeden erwirtschafteten Euro nehmen, ihn wieder in das Geschäft stecken und darauf erneut 25 % Rendite erzielen. Über 10 Jahre hinweg wird Unternehmen B dadurch exponentiell mehr Wert schaffen als Unternehmen A, selbst wenn beide mit dem gleichen Umsatz starten. Investorenlegenden wie Terry Smith oder Warren Buffett schwören deshalb auf diese Kennzahl.

Wie wird der ROCE berechnet? (Formel & Beispiel)

Die Basisformel für den ROCE ist simpel, aber der Teufel steckt oft im Detail der Bilanzpositionen. Die Standardformel lautet:

Lass uns das an einem praxisnahen Beispiel durchrechnen, damit es greifbar wird.

Praxis-Beispiel: Die „TechParts GmbH“

Wir analysieren einen fiktiven Hersteller von Spezialbauteilen. Hier sind die Zahlen aus dem Geschäftsbericht:

  • Umsatz: 50 Mio. €
  • EBIT (Operativer Gewinn): 5 Mio. €
  • Eigenkapital: 20 Mio. €
  • Langfristige Schulden (Kredite): 10 Mio. €
  • Kurzfristige Verbindlichkeiten (Lieferantenkredite): 5 Mio. €
  • Liquide Mittel (Cash auf dem Konto): 2 Mio. €

Schritt 1: Bestimmung des Capital Employed

Wir nehmen das Kapital, das Investoren (Eigenkapital) und die Bank (Langfristiges Fremdkapital) gegeben haben, und ziehen das Cash ab, das nur „rumliegt“ und nicht operativ arbeitet.

20Mio.(EK)+10Mio.(FK lang)2Mio.(Cash)=28Mio. € Capital Employed20\,\text{Mio.} (\text{EK}) + 10\,\text{Mio.} (\text{FK lang}) – 2\,\text{Mio.} (\text{Cash}) = 28\,\text{Mio. € Capital Employed}

Schritt 2: Berechnung des ROCE

ROCE=5Mio.(EBIT)28Mio.=0,1785ROCE = \frac{5\,\text{Mio.} (\text{EBIT})}{28\,\text{Mio.}} = 0,1785

Ergebnis: Der ROCE der TechParts GmbH beträgt 17,85 %. Das bedeutet: Für jeden Euro, der im Unternehmen steckt, erwirtschaftet die Firma im Jahr knapp 18 Cent operativen Gewinn.

Was ist ein guter ROCE Wert? (Benchmarks)

Ein ROCE ist dann „gut“, wenn er deutlich über den Kapitalkosten (WACC) des Unternehmens liegt. Als Faustregel gilt ein Wert von über 15 % als solide, Werte über 20 % sind exzellent. Alles unter 10 % ist oft problematisch, da es kaum die Kapitalkosten deckt.

Es ist jedoch gefährlich, alle Unternehmen über einen Kamm zu scheren. Ein Software-Unternehmen braucht kaum Maschinen und hat daher oft einen astronomischen ROCE. Ein Energieversorger muss Kraftwerke bauen und hat naturgemäß einen niedrigeren ROCE. Du musst den Wert immer im Kontext der Branche sehen.

Branchenvergleich (Richtwerte)

Hier eine Tabelle zur Orientierung, damit du Zahlen besser einordnen kannst:

BrancheROCE Durchschnitt (ca.)Top-Werte (Best-in-Class)Grund für das Niveau
Software / SaaS20 % – 40 %> 60 %Geringes Anlagevermögen, hohe Skalierbarkeit.
Konsumgüter (Marken)15 % – 25 %> 30 %Starke Marken erlauben hohe Margen bei moderatem Kapitalbedarf.
Industrie / Maschinenbau10 % – 15 %> 20 %Hoher Bedarf an Maschinen und Lagerbeständen.
Automobil5 % – 10 %> 15 %Extrem kapitalintensiv, harter Wettbewerb.
Versorger / Energie4 % – 8 %> 10 %Riesige Infrastruktur-Investments nötig.

Die Kapitalkosten-Falle (ROCE vs. WACC)

Der absolute Wert ist nur die halbe Wahrheit. Das entscheidende Konzept ist der „Spread“ (Abstand).

  • ROCE > WACC (Weighted Average Cost of Capital): Das Unternehmen vernichtet Kapital, selbst wenn es Gewinn macht. Es wäre für die Aktionäre besser, das Geld woanders anzulegen.
  • ROCE > WACC: Das Unternehmen schafft echten Wert (Value Creation).

Beispiel: Ein ROCE von 12 % klingt okay. Wenn das Unternehmen sich aber Geld für 8 % leihen muss und die Eigenkapitalgeber 10 % erwarten (WACC z.B. bei 9 %), dann ist der Puffer (Spread) von 3 % sehr dünn. Ein kleiner Gewinneinbruch vernichtet sofort Wert.

ROCE vs. ROE vs. ROA – Wo liegt der Unterschied?

Der ROCE bietet im Vergleich zu ROE (Return on Equity) und ROA (Return on Assets) das vollständigste Bild der operativen Leistung. Während ROE nur auf die Aktionäre schaut und ROA alles in einen Topf wirft, betrachtet der ROCE die Effizienz des tatsächlich arbeitenden Geldes – egal woher es kommt.

Hier ist der direkte Vergleich, damit du weißt, wann du welche Kennzahl nimmst:

1. ROE (Eigenkapitalrendite)

  • Fokus: Nur das Geld der Aktionäre.
  • Problem: Kann durch hohe Schulden künstlich aufgebläht werden (Financial Engineering). Ein Unternehmen nimmt Kredite auf, kauft eigene Aktien zurück -> Eigenkapital sinkt -> ROE steigt, obwohl das Geschäft nicht besser läuft.
  • Wann nutzen: Gut für Banken und Versicherungen.

2. ROA (Gesamtkapitalrendite)

  • Fokus: Das gesamte Vermögen in der Bilanz.
  • Problem: Beinhaltet auch „totes Kapital“ wie riesige Cash-Berge oder Goodwill, was die Quote verzerren kann. Zudem ignoriert es, ob das Kapital durch zinslose Verbindlichkeiten (Lieferanten) finanziert ist.
  • Wann nutzen: Für einen ganz groben ersten Blick auf die Asset-Effizienz.

3. ROCE (Kapitalrendite)

  • Fokus: Das operativ notwendige Kapital (Eigenkapital + Schulden – Cash).
  • Vorteil: Zieht den „Schleier“ der Finanzierung weg. Zeigt, ob die Fabrik oder die Software profitabel ist, egal ob sie per Kredit oder Aktien finanziert wurde.
  • Wann nutzen: Beste Kennzahl für Industrie, Handel, Technologie und Dienstleistungen.

Welche Schwächen und Fallstricke hat der ROCE?

Trotz meiner Begeisterung für diese Kennzahl: Der ROCE ist nicht perfekt. Er ist eine Momentaufnahme und basiert auf Buchwerten, die nicht immer die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Blindes Vertrauen kann hier zu Fehlentscheidungen führen.

Ein klassisches Problem ist die Alterung von Vermögenswerten. Wenn ein Industrieunternehmen uralte Maschinen nutzt, die in der Bilanz fast vollständig abgeschrieben sind (Wert nahe 0), ist das Capital Employed rechnerisch winzig. Der ROCE schießt durch die Decke, obwohl das Unternehmen vielleicht technologisch veraltet ist. Man nennt das den „Harvesting Mode“ – die Firma wird gemolken, aber nicht modernisiert.

Cash-Berge und Leasing-Tricks

  • Zu viel Cash: Viele Formeln ziehen Cash vom Capital Employed ab. Unternehmen mit riesigen Cash-Reserven (wie zeitweise Apple oder Google) können dadurch ihren ROCE künstlich hoch wirken lassen, da der Nenner der Gleichung sehr klein wird. Prüfe immer den „Core ROCE“ ohne übermäßige Cash-Bereinigung, wenn du unsicher bist.
  • Leasing: Früher konnten Unternehmen Leasingverpflichtungen „off-balance“ (außerhalb der Bilanz) halten, was das eingesetzte Kapital künstlich klein hielt. Zwar sorgen neue Rechnungslegungsstandards (IFRS 16) für mehr Transparenz, aber achte darauf, ob Miet- und Leasingkosten das Bild verzerren.

Wie nutze ich den ROCE für meine Investment-Strategie? (Checkliste)

Nutze den ROCE nicht als Timing-Indikator für den Kauf heute oder morgen, sondern als Qualitäts-Siegel für Aktien, die du über 5 bis 10 Jahre halten willst. Unternehmen mit hohem ROCE sind oft „langweilig“ im besten Sinne: Sie liefern verlässlich ab und überstehen Krisen besser, weil sie effizient sind.

Was in der Praxis wirklich zählt, ist die Konstanz. Ein einmaliger Ausreißer nach oben bringt dir nichts. Du suchst nach Unternehmen, die ihren hohen ROCE über Jahre verteidigen können, trotz Konkurrenz. Das ist der Beweis für den Burggraben.

Deine Checkliste für die Analyse

Bevor du investierst, gehe diese Punkte durch:

  1. Trend-Analyse: Ist der ROCE über die letzten 5 Jahre stabil oder steigend? (Fallende ROCE bei steigendem Umsatz ist ein Warnsignal!).
  2. Spread-Check: Liegt der ROCE mindestens 5 Prozentpunkte über den Kapitalkosten (WACC)?
  3. Peer-Group-Vergleich: Ist der ROCE besser als der der zwei wichtigsten Konkurrenten?
  4. Reinvestment-Potenzial: Hat das Unternehmen Möglichkeiten, Gewinne zu diesem hohen ROCE wieder anzulegen? (Ein hoher ROCE nützt nichts, wenn der Markt gesättigt ist und das Unternehmen das Geld nur als Dividende ausschütten kann).
  5. Plausibilitäts-Check: Ist der ROCE nur hoch, weil die Maschinen uralt sind? (Prüfe das Investitionsverhalten / Capex).

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum ROCE

Wichtiger Hinweis & Haftungsausschluss

Dieser Beitrag dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechts- oder Steuerberatung im Sinne des Steuerberatungsgesetzes dar. Obwohl die Inhalte mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt wurden, kann keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen übernommen werden. Jede unternehmerische Situation ist individuell. Für eine verbindliche Beratung und zur Klärung deiner persönlichen steuerlichen Situation, wende dich bitte unbedingt an einen qualifizierten Steuerberater oder einen Rechtsanwalt.

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