FCF: Das Wichtigste auf einen Blick
Was ist Free Cashflow? (Definition)
Der Free Cashflow (FCF) ist der Betrag an Bargeld, der einem Unternehmen tatsächlich zur freien Verfügung steht, nachdem es den laufenden Betrieb bezahlt und notwendige Investitionen in Maschinen oder Software getätigt hat. Er ist das Geld, das an die Eigentümer (Aktionäre) ausgeschüttet, zur Tilgung von Schulden genutzt oder in neues Wachstum gesteckt werden kann. Anders als der buchhalterische Gewinn lässt sich der Cashflow kaum durch Bilanzkosmetik schönen. Kurz gesagt: Gewinn ist eine Meinung, Cash ist ein Fakt.
Oft lassen sich Anleger vom Nettogewinn (Net Income) blenden. Doch ein Unternehmen kann auf dem Papier profitabel sein und trotzdem pleitegehen, wenn ihm das Bargeld ausgeht. Stell dir den FCF wie dein persönliches Budget vor: Dein Nettogehalt ist der operative Cashflow. Davon musst du aber noch zwingend dein Auto reparieren und den Kredit fürs Haus bedienen (CapEx), damit du weiter zur Arbeit kommst und wohnen kannst. Was dann noch übrig ist, um Essen zu gehen oder zu sparen – das ist dein Free Cashflow.
Der Unterschied zum Gewinn (EBIT/Net Income)
Viele Gründer und Einsteiger verwechseln Gewinn mit Cashflow. Der Gewinn in der Gewinn-und-Verlustrechnung (GuV) enthält viele nicht zahlungswirksame Posten, wie Abschreibungen. Wenn du eine Maschine für 1 Million Euro kaufst, fließt das Geld sofort ab (Cashflow minus 1 Mio.). In der GuV schreibst du die Maschine aber vielleicht über 10 Jahre ab (Gewinn minus 100k pro Jahr). Der FCF zeigt dir die harte Realität der Geldbewegungen heute, nicht die geglättete buchhalterische Sicht.
Warum „Free“?
Das Wort „Free“ (frei) ist hier entscheidend. Es signalisiert, dass dieses Kapital nicht mehr im operativen Hamsterrad des Unternehmens gebunden ist. Das Management hat die „Freiheit“, zu entscheiden, was damit passiert: Dividenden zahlen, Aktien zurückkaufen, Wettbewerber übernehmen oder Schulden abbauen. Ein dauerhaft negativer FCF bedeutet hingegen, dass das Unternehmen ständig frisches Geld von außen (Banken oder Investoren) braucht, um zu überleben.
Wie berechnet man den Free Cashflow?
Die gängigste und für Privatanleger relevanteste Formel ist einfach: Du nimmst den Operativen Cashflow (Geldfluss aus laufender Geschäftstätigkeit) und ziehst die Investitionsausgaben (Capital Expenditures oder kurz CapEx) ab. Diese Daten findest du nicht in der GuV, sondern in der Kapitalflussrechnung (Cashflow Statement) eines Geschäftsberichts.
Formel
Schauen wir uns das genauer an, damit du es sofort anwenden kannst. Du musst kein Mathe-Genie sein, um diese Rechnung zu verstehen, aber du musst wissen, wo die Fallstricke liegen. Der Operative Cashflow zeigt, was das Kerngeschäft an Geld abwirft. Die CapEx zeigen, was das Unternehmen ausgeben muss, um seine Substanz zu erhalten (z. B. Wartung von Fabriken, neue Server).
Rechenbeispiel: Die „SaaS-Rocket GmbH“ vs. „Heavy Metal AG“
Um die Mechanik zu verstehen, vergleichen wir zwei fiktive Firmen. Beide machen 10 Millionen Euro Umsatz und weisen ähnliche Gewinne aus. Aber der Blick auf den Cashflow offenbart die Wahrheit über das Geschäftsmodell.
| Kennzahl | SaaS-Rocket GmbH (Software) | Heavy Metal AG (Industrie) |
| Umsatz | 10.000.000 € | 10.000.000 € |
| Operativer Cashflow | 2.500.000 € | 2.000.000 € |
| ./. CapEx (Investitionen) | -200.000 € (Laptops, Server) | -1.500.000 € (Maschinen, Hallen) |
| = Free Cashflow | 2.300.000 € | 500.000 € |
Analyse:
Die Software-Firma behält von ihrem operativen Cashflow fast alles als „freien“ Cashflow übrig, weil sie kaum teure Sachanlagen benötigt. Die Industriefirma muss hingegen einen Großteil des erwirtschafteten Geldes sofort wieder in teure Maschinen stecken, nur um den Betrieb am Laufen zu halten. Für dich als Investor ist die SaaS-Rocket GmbH hier attraktiver, da mehr Geld für dich als Aktionär übrig bleibt.
Owner Earnings (Die Buffett-Methode)
Warren Buffett nutzt eine verfeinerte Version. Er unterscheidet bei den CapEx zwischen „Growth CapEx“ (Investitionen für Wachstum) und „Maintenance CapEx“ (Investitionen zur Erhaltung).
- Formel: Operativer Cashflow – Maintenance CapEx = Owner Earnings.
- Warum? Wenn ein Unternehmen viel Geld ausgibt, um eine neue Fabrik zu bauen, drückt das den normalen FCF. Aber eigentlich ist das eine gute Investition in die Zukunft. Die Standard-Formel bestraft wachstumsstarke Firmen hier manchmal zu hart. Wenn du es also ganz genau wissen willst, schau im Anhang des Geschäftsberichts nach, wie viel der Investitionen wirklich nur „Erhaltung“ waren.
Was ist die Free Cashflow Marge?
Die Free Cashflow Marge setzt den FCF ins Verhältnis zum Umsatz und gibt an, wie viel Prozent von jedem umgesetzten Euro als freies Bargeld im Unternehmen hängen bleiben. Sie ist ein exzellenter Indikator für die Effizienz und die Preismacht (Pricing Power) eines Unternehmens. Je höher die Marge, desto widerstandsfähiger ist die Firma in Krisenzeiten.
Formel FCF-Marge
Meiner Erfahrung nach ist die FCF-Marge oft aussagekräftiger als die operative Gewinnmarge. Warum? Weil sie Ineffizienzen im Working Capital (z.B. wenn Kunden ihre Rechnungen spät zahlen oder das Lager vollgestopft ist) gnadenlos aufdeckt. Ein Unternehmen kann hohe Gewinne buchen, aber wenn die Kunden nicht zahlen, ist die FCF-Marge miserabel.
Interpretation der Werte
- Unter 5 %: Das Geschäftsmodell ist kapitalintensiv oder der Wettbewerb ist extrem hart (z.B. Automobilzulieferer, Einzelhandel). Hier bleibt wenig Spielraum für Fehler.
- 10 – 15 %: Ein solider Wert. Das Unternehmen ist gesund und wirtschaftet effizient.
- Über 20 %: Exzellent. Das Unternehmen hat wahrscheinlich einen starken Burggraben (Wettbewerbsvorteil), geringen Kapitalbedarf (Asset-Light) oder eine dominante Marktstellung (z.B. Software-Giganten, Visa/Mastercard).
Branchen-Benchmarks (Orientierungshilfe)
Du kannst nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Eine Supermarktkette wird nie die Margen eines Softwarekonzerns erreichen. Hier eine realistische Einordnung, damit du deine Aktien richtig bewertest:
| Branche | FCF-Marge (Durchschnitt) | Bewertungskommentar |
| Software / SaaS | 20% – 35% | Skaliert extrem gut, kaum CapEx. |
| Pharma / Biotech | 15% – 25% | Hochprofitabel, aber hohe F&E-Kosten. |
| Basiskonsumgüter | 10% – 15% | Stabile Cashflows, moderate Margen. |
| Industrie / Fertigung | 5% – 10% | Hohe CapEx drücken die Marge. |
| Einzelhandel | 2% – 6% | Geringe Margen, Masse macht’s. |
Warum ist FCF für die Aktienbewertung entscheidend?
Der Wert eines Unternehmens entspricht heute genau der Summe aller zukünftigen Free Cashflows, abgezinst auf den heutigen Tag. Das ist das Grundprinzip jeder seriösen Aktienbewertung (Discounted Cashflow Modell, kurz DCF). Aktienkurse folgen langfristig immer der Entwicklung des Free Cashflows, nicht den marktschreierischen Umsatzmeldungen.
Wer nur auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) schaut, tappt oft im Dunkeln. Das Kurs-Free-Cashflow-Verhältnis (P/FCF) ist oft der bessere Maßstab.
- P/FCF < 15: Oft günstig bewertet (Value-Aktie).
- P/FCF > 30: Der Markt erwartet enormes Wachstum (Growth-Aktie).Wenn eine Aktie ein niedriges KGV, aber ein extrem hohes P/FCF hat, ist das ein Warnsignal: Der Gewinn sieht gut aus, aber es kommt kein Geld in der Kasse an.
Rule of 40 (Für Wachstumsunternehmen)
Bei schnell wachsenden Tech-Startups ist der FCF oft noch gering oder negativ, weil alles in Wachstum investiert wird. Hier nutzen Profis die „Rule of 40„.
- Formel: Umsatzwachstum (%) + FCF-Marge (%) sollte > 40 sein.
- Beispiel: Ein Startup wächst mit 50% pro Jahr, hat aber eine FCF-Marge von -5%.
- 50 + (-5) = 45.
- Ergebnis > 40. Das Unternehmen ist attraktiv, weil das Wachstum den Cash-Burn rechtfertigt.
Welche Risiken und Fallstricke gibt es?
Blindes Vertrauen in eine Kennzahl ist gefährlich. Auch der Free Cashflow hat seine Tücken, die du kennen musst, um nicht auf „Value Traps“ hereinzufallen. Ein plötzlich hoher FCF ist nicht immer ein gutes Zeichen – manchmal bedeutet es einfach nur, dass das Management aufgehört hat, in die Zukunft zu investieren.
Stock-Based Compensation (SBC)
Das ist der Elefant im Raum, besonders bei US-Tech-Aktien. Mitarbeiter werden oft mit Aktienoptionen bezahlt.
- Das Problem: Diese Vergütung ist ein „Non-Cash“-Aufwand. Sie wird im operativen Cashflow addiert (weil kein Geld fließt), was den FCF künstlich hochtreibt.
- Die Realität: Für dich als Aktionär ist es trotzdem ein Kostenfaktor, weil deine Anteile verwässert werden (es gibt mehr Aktien, also gehört dir weniger vom Kuchen).
- Praxis-Tipp: Ziehe bei Tech-Aktien die „Stock-Based Compensation“ vom ausgewiesenen Free Cashflow ab, um den „echten“ FCF zu sehen. Das Ergebnis ist oft ernüchternd.
Working Capital Schwankungen
Manchmal explodiert der FCF in einem Quartal, nur weil das Unternehmen beschlossen hat, seine Lieferanten später zu bezahlen oder Lagerbestände radikal abzubauen. Das sind Einmaleffekte.
- Lösung: Schau dir den FCF immer auf Jahresbasis oder im Durchschnitt der letzten 3 Jahre (TTM – Trailing Twelve Months) an. Ein einzelnes Quartal ist Rauschen, der langfristige Trend ist das Signal.
Zyklische Investitionsphasen
Bei Unternehmen wie Telekommunikationsanbietern oder Chipherstellern gibt es Jahre mit extrem hohen Investitionen (z.B. 5G-Ausbau, neue Fabriken), die den FCF gegen Null drücken. In den Folgejahren schießt er wieder hoch. Bewerte solche Firmen niemals in einem Investitions-Hoch-Jahr als „schlecht“, sondern betrachte den kompletten Investitionszyklus.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Free Cashflow
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