ROE: Das Wichtigste auf einen Blick
Was ist der Return on Equity (ROE)?
Der Return on Equity (ROE), auf Deutsch Eigenkapitalrendite, ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis zwischen dem erzielten Gewinn und dem eingesetzten Eigenkapital eines Unternehmens angibt. Er zeigt dir prozentual, wie gut sich das Geld verzinst, das die Eigentümer oder Aktionäre in die Firma gesteckt haben. Je höher der ROE, desto effizienter arbeitet das Unternehmen theoretisch mit dem Geld der Anteilseigner. Es ist somit ein direkter Maßstab für die Ertragskraft aus Sicht der Investoren.
Diese Kennzahl ist weit mehr als nur eine Zahl für Börsianer: sie ist ein fundamentaler Indikator für die innere Stärke eines Geschäftsmodells. Wenn du als Unternehmer Geld in deine eigene Firma steckst, willst du wissen, ob diese Investition mehr abwirft als ein ETF oder ein Festgeldkonto. Der ROE beantwortet genau diese Frage. Doch Vorsicht: Ein isolierter Blick auf den ROE kann gefährlich sein.
Um die Aussagekraft dieser Kennzahl wirklich zu verstehen und sie nicht falsch zu interpretieren, etwa wenn hohe Schulden das Bild verzerren, müssen wir tiefer in die Zusammensetzung blicken. In den folgenden Abschnitten schauen wir uns die Mechanik hinter der Zahl an und klären, warum „höher“ nicht automatisch „besser“ heißt.
Die wirtschaftliche Bedeutung für Gründer und Investoren
Der ROE ist quasi der „Zins“, den das Unternehmen auf das Geld der Eigentümer zahlt. Für Investoren (Venture Capitalists, Business Angels oder Aktionäre) ist das der entscheidende Vergleichswert zu alternativen Anlagen. Wenn ein Unternehmen dauerhaft einen ROE von 15 % erwirtschaftet, das Marktumfeld aber nur 7 % bietet, hast du einen klaren Wettbewerbsvorteil (einen sogenannten „Moat“). Für dich als Gründer ist der ROE zudem ein internes Steuerinstrument: Er zwingt dich dazu, Kapital diszipliniert einzusetzen und nicht unnötig Geld in der Firma zu horten, das dort nicht produktiv arbeitet.
ROE vs. Eigenkapitalquote
Viele verwechseln die Rendite mit der Quote. Während der ROE die Verzinsung misst (Wie viel Gewinn mache ich pro Euro?), zeigt die Eigenkapitalquote die Stabilität (Wie viel Prozent des Gesamtkapitals gehören mir?). Ein hoher ROE bei gleichzeitig extrem niedriger Eigenkapitalquote ist ein Warnsignal für hohes Risiko. Das Verständnis dieser Balance ist essenziell, um dein Unternehmen nicht „kaputtzusparen“ oder durch zu hohe Schuldenlast (Leverage) zu gefährden.
Wie berechnet man den ROE korrekt?
Die Berechnung des ROE ist im Kern simpel: Du teilst den Jahresüberschuss (Nettogewinn nach Steuern) durch das durchschnittliche Eigenkapital und multiplizierst das Ergebnis mit 100, um einen Prozentwert zu erhalten.
Formel
Doch so einfach die Formel aussieht, der Teufel steckt im Detail der Datengrundlage. Wir müssen sicherstellen, dass wir saubere Werte verwenden, um keine verfälschten Ergebnisse zu erhalten. Nachfolgend zeige ich dir anhand eines konkreten Beispiels, wie du das rechnest und woher du die Daten nimmst.
Praxisbeispiel: Die „TechStart GmbH“
Stell dir vor, du analysierst die „TechStart GmbH“. Um den ROE zu berechnen, schaust du in den Jahresabschluss.
Die Daten:
- Jahresüberschuss: Die Firma hat nach Abzug aller Kosten und Steuern 50.000 € Gewinn gemacht.
- Eigenkapital: Zu Beginn des Jahres lag das Eigenkapital bei 180.000 €, am Ende bei 220.000 €.
Die Rechnung:
Für eine präzise Berechnung nutzen wir das durchschnittliche Eigenkapital des Jahres, da der Gewinn über das ganze Jahr erwirtschaftet wurde, das Kapital sich aber verändert hat.
1. Durchschnittliches Eigenkapital:
2. Einsetzen in die Formel:
Das Ergebnis:
Die TechStart GmbH hat eine Eigenkapitalrendite von 25 %. Das bedeutet, jeder Euro, den die Gesellschafter in der Firma gelassen oder investiert haben, hat sich mit 25 Cent verzinst. Das ist ein sehr starker Wert.
Wo finde ich die Daten in der Bilanz?
Damit du das selbst nachrechnen kannst, hier die Fundorte im Jahresabschluss:
- Jahresüberschuss: Findest du in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ganz unten. Wichtig: Nutze den Gewinn nach Steuern.
- Eigenkapital: Steht in der Bilanz auf der Passivseite ganz oben (Position A). Dazu gehören das gezeichnete Kapital, Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen und der Gewinn-/Verlustvortrag.
Was sagt der ROE über ein Unternehmen aus?
Der ROE ist ein Indikator für die Management-Qualität bei der Kapitalallokation. Ein hoher Wert signalisiert oft, dass das Management in der Lage ist, mit den vorhandenen Mitteln effizient zu wachsen, ohne ständig neues Geld von außen zu benötigen. Ein sinkender ROE hingegen kann auf ineffiziente Prozesse, aufgeblähte Kostenstrukturen oder schlechte Investitionsentscheidungen hindeuten.
Allerdings, und das ist der Punkt, an dem viele Anfänger scheitern, ist der ROE blind für Risiken. Eine hohe Zahl auf dem Papier kann das Ergebnis brillanter Arbeit sein oder das Resultat gefährlicher Finanzakrobatik. Um die Zahl richtig zu lesen, müssen wir verstehen, wie sie künstlich manipuliert werden kann.
Der Leverage-Effekt (Hebelwirkung)
Hier liegt die größte Falle der ROE-Analyse. Ein Unternehmen kann seinen ROE massiv steigern, indem es Schulden aufnimmt.
Warum? Weil Schulden das Eigenkapital ersetzen.
Vergleich:
- Firma A: 1 Mio. € Vermögen, alles durch Eigenkapital finanziert. Gewinn: 100.000 €. -> ROE = 10 %.
- Firma B: 1 Mio. € Vermögen, aber nur 500.000 € Eigenkapital (Rest Schulden). Gewinn (nach Zinsen): 80.000 €. -> ROE = 16 % ($80k / 500k$).
Firma B sieht rentabler aus, ist aber viel riskanter, weil sie Schulden bedienen muss. Wenn die Zinsen steigen oder der Umsatz einbricht, geht Firma B viel schneller pleite als Firma A. Prüfe also immer: Ist der ROE hoch, weil die Firma genial ist, oder weil sie extrem verschuldet ist?
Aktienrückkäufe (Buybacks)
Ein weiterer beliebter Trick etablierter Konzerne (oder Cash-starker Startups): Sie kaufen eigene Aktien zurück. Dadurch sinkt das Eigenkapital in der Bilanz. Selbst wenn der Gewinn gleich bleibt, steigt der ROE rechnerisch an. Das sieht hübsch aus, verbessert aber operativ nichts am Geschäft. Frage dich immer: Steigt der ROE durch echten Gewinnzuwachs oder durch finanztechnische Schrumpfung der Basis?
Was ist ein guter ROE-Wert?
Es gibt keinen pauschalen „guten“ Wert, da der ROE stark von der Branche (Asset-Light vs. Kapitalintensiv) und der aktuellen Zinslandschaft abhängt. Als grobe Faustregel gilt jedoch: Ein ROE von 15 % bis 20 % wird von den meisten Investoren als attraktiv angesehen, sofern die Verschuldung moderat ist. Werte unter 10 % gelten oft als Kapitalkosten-Vernichter, da die Opportunitätskosten (das Risiko) höher sind als die Rendite.
Dennoch macht ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen hier keinen Sinn. Ein Software-Startup funktioniert fundamental anders als ein Stahlwerk. Schauen wir uns die Unterschiede an, damit du deine eigene Firma oder deine Investments richtig einordnen kannst.
Branchenabhängige Benchmarks
| Branche | Typischer ROE | Grund & Struktur (Das „Warum“) |
| Software & Services | 20% – 40%+ | Asset-Light: Kaum Maschinen oder Lagerhallen nötig. Hohe Skalierbarkeit drückt die Margen und damit den ROE nach oben. |
| Basiskonsumgüter (z.B. Lebensmittel, Hygiene) | 15% – 25% | Markenmacht: Firmen wie Coca-Cola oder Nestlé haben stabile Cashflows und starke Preissetzungsmacht (hohe Margen). |
| Pharma & Biotech (Etablierte Player) | 15% – 25% | Burggraben: Patente schützen Produkte vor Wettbewerb, was extrem hohe Margen ermöglicht – trotz hoher F&E-Kosten. |
| Einzelhandel (Supermärkte, Discounter) | 10% – 15% | Masse statt Klasse: Die Gewinnmargen sind winzig (oft nur 1-3%), aber der Kapitalumschlag ist extrem hoch (Waren drehen sich schnell). |
| Automobilindustrie | 8% – 14% | Zyklisch & Kapitalintensiv: Riesige Fabriken binden viel Kapital (Nenner hoch). Gewinne schwanken stark mit der Konjunktur. |
| Energie & Rohstoffe (Öl, Gas, Bergbau) | 8% – 12% | Volatil: Extrem abhängig vom Rohstoffpreis. In Boom-Jahren sind >20% möglich, in Krisen oft negativ. |
| Immobilien (REITs) | 5% – 10% | Substanzstark: Das Geschäftsmodell basiert auf riesigem Vermögen (Gebäude). Der Wertzuwachs steckt oft in der Immobilie, nicht im Cash-Gewinn. |
| Versicherungen | 8% – 12% | Reguliert: Ähnlich wie Banken müssen Versicherer hohe Sicherheitsreserven (Eigenkapital) halten, was den ROE mathematisch deckelt. |
| Bauwirtschaft | 10% – 15% | Risikoreich: Geringe Margen, aber oft wenig eigenes Anlagevermögen nötig (Maschinen werden oft geleast/gemietet). |
ROE bei Startups vs. etablierten Firmen
Für Early-Stage-Startups ist der ROE oft negativ oder aussagelos. Wenn du Verluste schreibst (Burn-Rate), ist dein ROE negativ. Das ist normal in der Wachstumsphase. Hier zählen Metriken wie Umsatzwachstum oder Unit Economics mehr.
Für KMUs und reife Firmen ist der ROE jedoch der Goldstandard. Wenn ein etablierter Mittelständler dauerhaft nur 3 % ROE liefert, wäre es für den Inhaber ökonomisch sinnvoller, den Laden zu liquidieren und das Geld in einen Welt-ETF zu stecken (der historisch ca. 7 % bringt).
Die DuPont-Analyse: Den ROE zerlegen
Wenn du wirklich verstehen willst, warum ein ROE so ist, wie er ist, nutzt du die DuPont-Analyse. Sie zerlegt den ROE in drei logische Treiber: Profitabilität (Gewinnmarge), Effizienz (Kapitalumschlag) und Finanzierung (Hebel).
Diese Zerlegung ist wie ein Röntgenbild für die Firmenfinanzen. Sie zeigt dir sofort, an welcher Schraube gedreht wurde.
Die drei Hebel im Detail
- Umsatzrendite (Net Profit Margin): Wie viel Gewinn bleibt von jedem Euro Umsatz hängen?
- Steigerung durch: Bessere Preise, Kostensenkung, Skaleneffekte.
- Kapitalumschlag (Asset Turnover): Wie viel Umsatz generiert die Firma pro Euro Gesamtvermögen?
- Steigerung durch: Lagerbestände reduzieren, effizientere Auslastung von Maschinen/Servern.
- Finanzierungshebel (Financial Leverage): Wie viel Fremdkapital wird genutzt?
- Steigerung durch: Aufnahme von Schulden (Risiko!).
Wenn ein Wettbewerber einen höheren ROE hat als du, kannst du mit DuPont prüfen: Ist er wirklich operativ besser (Marge/Umsatz) oder „kauft“ er sich die Rendite nur durch Risiko (Hebel)?
Wie unterscheidet sich ROE von ROI, ROA und ROCE?
Während der ROE nur auf das Eigenkapital schaut, beziehen andere Kennzahlen Schulden oder das Gesamtkapital mit ein. Je nach Fragestellung brauchst du eine andere Brille.
Es ist wichtig, diese Abkürzungen nicht durcheinanderzuwerfen, da sie völlig unterschiedliche Aspekte beleuchten. Hier ist der schnelle Überblick für die Praxis:
| Kennzahl | Langform | Fokus | Formel (vereinfacht) | Wann nutzen? |
| ROE | Return on Equity | Sicht der Eigentümer | Gewinn / Eigenkapital | Um die Verzinsung deines Geldes zu prüfen. |
| ROA | Return on Assets | Gesamteffizienz | Gewinn / Gesamtkapital | Um zu sehen, wie produktiv die Firma insgesamt (inkl. Schulden) ist. |
| ROI | Return on Investment | Einzelprojekt-Sicht | Gewinnanteil / Investitionskosten | Für Marketingkampagnen oder Maschinenkauf. |
| ROCE | Return on Capital Employed | Operative Stärke | EBIT / (Eigenkapital + verzinsl. Schulden) | Bester Vergleichswert für kapitalintensive Industrien; blendet Finanztrias aus. |
Wann ist der ROA besser als der ROE?
Besonders bei Banken oder extrem hoch verschuldeten Unternehmen ist der ROE oft irreführend hoch. Der ROA (Gesamtkapitalrendite) ist hier ehrlicher, weil er das gesamte Vermögen als Basis nimmt. Ein hoher ROE bei mickrigem ROA schreit förmlich: „Hier wird mit extrem viel Fremdkapital gearbeitet!“
Fazit: Wie du den ROE für dein Business nutzt
Der ROE ist kein Eitelkeits-Metrik, sondern dein Kompass für Kapitaleffizienz. Ein hoher ROE über lange Zeit ist das Markenzeichen von „Quality Companies“ – Firmen, die Geld drucken, ohne ständig neue Investitionen zu verschlingen. Doch blindes Vertrauen in die Zahl ist gefährlich.
Die wichtigsten Takeaways für dich:
- Kontext ist King: Ein ROE von 30 % ist wertlos, wenn die Firma kurz vor der Insolvenz steht, weil sie überschuldet ist.
- Qualität vor Quantität: Analysiere immer die Quelle des ROE (DuPont-Analyse). Kommt er aus Marge oder aus Schulden?
- Benchmarking: Vergleiche dich nur mit direkten Wettbewerbern, nicht mit dem Markt als Ganzes.
Wenn du als Unternehmer deinen ROE nachhaltig verbessern willst, fokussiere dich auf die Marge (Pricing, Kostenkontrolle) und den Kapitalumschlag (schlanke Prozesse, wenig totes Kapital im Lager). Das ist der harte, aber gesunde Weg zu einer höheren Firmenbewertung.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum ROE
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Dieser Beitrag dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechts- oder Steuerberatung im Sinne des Steuerberatungsgesetzes dar. Obwohl die Inhalte mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt wurden, kann keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen übernommen werden. Jede unternehmerische Situation ist individuell. Für eine verbindliche Beratung und zur Klärung deiner persönlichen steuerlichen Situation, wende dich bitte unbedingt an einen qualifizierten Steuerberater oder einen Rechtsanwalt.

