RPI: Das Wichtigste auf einen Blick
Was ist RPI (Pricing Power)? (Definition)
RPI im Kontext der Aktienbewertung steht für die Pricing Power (Preismacht) eines Unternehmens und beschreibt dessen Fähigkeit, Preise für Produkte oder Dienstleistungen zu erhöhen, ohne dabei signifikant an Absatzvolumen oder Marktanteilen zu verlieren. Es ist der ultimative „Burggraben“ (Moat), der Gewinnmargen gegen Inflation und steigende Kosten absichert.
Warren Buffett bezeichnete die Pricing Power einst als die wichtigste Entscheidung bei der Bewertung eines Unternehmens. Wenn du die Preise anheben kannst, ohne dass die Konkurrenz dir die Kunden wegschnappt oder du ein langes Gebet an den Markt schicken musst, hast du ein starkes Geschäft. Ein Unternehmen ohne RPI ist ein „Price Taker“ – es muss die Preise akzeptieren, die der Markt diktiert. Ein Unternehmen mit hohem RPI ist ein „Price Maker“.
In der Praxis zeigt sich ein hoher RPI nicht nur durch Preiserhöhungen. Er zeigt sich auch darin, dass Kunden trotz günstigerer Alternativen loyal bleiben. Das passiert oft durch starke Markenbindung (Apple), hohe Wechselkosten (SAP) oder Netzwerkeffekte (Visa). Für dich als Investor oder Gründer ist dieser Wert entscheidend, da er direkt auf die langfristige Kapitalrendite (ROIC) einzahlt.
Warum RPI der „heilige Gral“ gegen Inflation ist
Inflation frisst Margen. Wenn die Kosten für Rohstoffe oder Personal steigen, muss ein Unternehmen diese Kosten weitergeben. Unternehmen mit niedrigem RPI können das nicht, ohne Kunden zu verlieren. Sie müssen die Kosten selbst schlucken, was den Gewinn pulverisiert.
Unternehmen mit hohem RPI geben diese Kosten einfach an den Kunden weiter – und schlagen oft sogar noch etwas oben drauf. Meiner Erfahrung nach erkennst du wahre Qualität daran, wie stabil die Bruttomarge in Krisenzeiten bleibt. Während die Konkurrenz blutet, hält der Marktführer mit starker Preismacht sein Niveau.
Wie wird RPI (Pricing Power) berechnet?
Es gibt keine einzelne, standardisierte Formel für „RPI“ wie beim KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis), die du einfach ablesen kannst. Pricing Power ist eine qualitative Eigenschaft, die wir durch quantitative Kennzahlen sichtbar machen. Der beste Proxy (Stellvertreter) für die Berechnung ist die Bruttomarge (Gross Margin) und deren Entwicklung über die Zeit.
Die Basis-Formel: Bruttomarge
Um die Pricing Power greifbar zu machen, schauen wir uns die Bruttomarge an. Sie zeigt, wie viel vom Umsatz nach Abzug der direkten Herstellungskosten übrig bleibt.
So berechnest du das PEG Ratio:
Ein einzelner Wert reicht aber nicht. Die „Pricing Power“ offenbart sich im Trend und im Vergleich:
- Stabilität: Ist die Marge über 5–10 Jahre stabil oder steigend?
- Spread: Wie hoch ist die Marge im Vergleich zum direkten Wettbewerber?
Rechenbeispiel: Preismacht in Aktion
Lass uns das konkret durchrechnen. Nehmen wir an, du analysierst zwei Software-Unternehmen. Beide haben mit Inflation zu kämpfen (Kosten steigen um 10 %).
Szenario Ausgangslage:
- Produktpreis: 100 €
- Kosten: 60 €
- Gewinn: 40 € (Marge: 40 %)
Szenario Inflation (Kosten steigen auf 66 €):
- Unternehmen A (Keine Preismacht): Kann Preise nicht erhöhen.
- Preis: 100 €
- Kosten: 66 €
- Gewinn: 34 € -> Gewinneinbruch von 15 %!
- Unternehmen B (Hohe Preismacht/RPI): Erhöht Preis um 10 % auf 110 €.
- Preis: 110 €
- Kosten: 66 €
- Gewinn: 44 € -> Gewinnsteigerung um 10 % trotz Inflation.
Hier siehst du den massiven Hebel. Unternehmen B hat seinen Gewinn gesteigert, während A massiv verloren hat. Das ist der mathematische Beweis für RPI.
Wie interpretiere ich RPI nach Sektoren?
Ein hoher RPI-Wert (gemessen an der Marge) bedeutet nicht in jeder Branche dasselbe. Eine 20 % Marge im Handel kann exzellent sein, während sie in der Software-Branche katastrophal wäre. Du musst Preismacht immer relativ zur direkten Konkurrenz und den physikalischen Gegebenheiten des Sektors betrachten.
In asset-light Modellen (Software, Medien) ist die Preismacht oft höher, da die Grenzkosten für das nächste verkaufte Produkt gegen Null gehen. In der Industrie (Chemie, Auto) ist der Preiskampf brutaler, da Überkapazitäten schnell zu Preissenkungen zwingen, um die Fabriken auszulasten.
Branchen-Benchmarks für Preismacht (Proxy: Bruttomarge)
Hier ist eine Tabelle, die dir als Orientierungshilfe dient. Werte, die signifikant über diesen Benchmarks liegen, deuten auf einen starken „Moat“ und hohe Pricing Power hin.
| Sektor / Branche | Niedrige Preismacht (Marge) | Durchschnitt | Hohe Preismacht (Marktführer) | Treiber der Preismacht |
| Software (SaaS) | < 60 % | 70–75 % | > 80 % | Hohe Wechselkosten, Lock-in |
| Luxusgüter | < 50 % | 60 % | > 70 % | Markenprestige, Veblen-Effekt |
| Pharma / Biotech | < 65 % | 75 % | > 85 % | Patente, Monopole |
| Basiskonsumgüter | < 20 % | 30–40 % | > 50 % | Markenvertrauen (z.B. Coca-Cola) |
| Automobil | < 10 % | 15–18 % | > 25 % | Marke (z.B. Ferrari), Tech-Vorsprung |
| Einzelhandel | < 20 % | 25 % | > 35 % | Skaleneffekte, Eigenmarken |
Achtung: Vergleiche niemals Äpfel mit Birnen. Eine Supermarktkette mit Ferrari zu vergleichen, bringt dir keine Erkenntnisse über die Qualität des Managements.
Wo finde ich die Daten für RPI?
Da RPI keine Standard-Kennzahl ist, musst du sie dir selbst herleiten. Die Rohdaten findest du in jedem Geschäftsbericht, aber du musst wissen, wo du suchen musst. Verlass dich nicht auf vorgekaute Analysen, sondern schau dir die „Raw Data“ an.
Der sicherste Weg führt über den Geschäftsbericht (Annual Report / 10-K) oder vertrauenswürdige Finanzportale.
Schritt-für-Schritt Anleitung zur Datenbeschaffung
- Finanzportale (Schnell-Check):
- Gehe auf Seiten wie Morningstar, Tikr Terminal oder Seeking Alpha.
- Suche nach „Financials“ -> „Income Statement“.
- Suche die Zeile „Gross Margin %“.
- Schau dir den Graphen der letzten 5–10 Jahre an. Ist die Linie gerade oder steigt sie an? Gut. Zickzack oder fallend? Warnsignal.
- Qualitative Recherche (Der Profi-Tipp):
- Lies die Earning Call Transcripts (Mitschriften der Investorenkonferenzen).
- Suche nach dem Stichwort „Pricing“ oder „Price Increase“.
- Wie reagiert das Management auf Fragen zur Inflation? Sagen sie „Wir konnten die Preise erfolgreich anpassen“ oder jammern sie über „Kostendruck“? Die Wortwahl verrät oft mehr als die Excel-Tabelle.
Welche Risiken und Fallen gibt es bei der Analyse?
Preismacht ist nicht statisch. Ein Unternehmen, das heute Preise diktieren kann, kann morgen schon irrelevant sein. Der häufigste Fehler, den ich bei Gründern und Investoren sehe, ist die Annahme, dass Preismacht ewig hält.
Wenn ein Unternehmen seine Pricing Power überreizt („Gierflation“), öffnet es die Tür für Disruption. Wenn die Preise zu hoch werden, suchen Kunden aktiv nach Alternativen oder Substituten, die sie vorher ignoriert hätten.
Die „Preisschirm“-Falle
Ein Marktführer mit extrem hohen Preisen spannt einen „Preisschirm“ auf. Darunter können günstige Wettbewerber leicht wachsen, weil sie profitabel sein können, aber immer noch deutlich billiger sind als der Platzhirsch.
Zudem ist die Bruttomarge manchmal durch Buchhaltungstricks verzerrt. Prüfe deshalb immer auch die EBIT-Marge (Operative Marge). Wenn die Bruttomarge steigt, aber die operative Marge fällt, bedeutet das oft, dass das Unternehmen die Preismacht durch extrem hohe Marketingausgaben erkaufen muss. Das ist keine echte Preismacht, das ist teures Wachstum.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum PEG-Ratio
Wichtiger Hinweis & Haftungsausschluss
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